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Dieser Artikel bricht mit mehreren Mythen über Tibet Teppiche und erzählt Ihnen die wahre Geschichte. Die Ursprünge dieser Mythen können vielfältig sein.
Was einst in den wenigen Büchern über Tibet Teppiche geschrieben wurde - in der Zwischenzeit mehrere Jahrzehnte alt - hat seinen Weg in Verkaufskataloge und von dort ins Internet gefunden. Und seitdem werden sie für alle Ewigkeiten wie buddhistische Mantras wiederholt.
Lesen Sie den ganzen Artikel und Sie werden überrascht sein über all den Unsinn, der über Tibet Teppiche geschrieben wird.
Das einseitige Denken westlicher Kunstexperten
Meiner Meinung nach liegt der Hauptgrund für Mythen im Bereich der Kunst und des Kunsthandwerks in dem einseitigen Denken westlicher Buch Autoren, Wissenschaftler und selbst-ernannter Experten. Sie tendieren dazu in nahezu religiöser Weise zwei Grundtendenzen zu pflegen.
- Alles was in der Vergangenheit gemacht wurde ist besser als das was heute gemacht wird.
- Von Hand gemacht ist besser als etwas, das mit der Hilfe von Maschinen gemacht wird.
Lassen Sie mich darlegen, dass solche Aussagen, obwohl manchmal durchaus richtig, zu falschen Schlussfolgerungen führen können wenn man Sie auf asiatische Kunst, und hier speziell auf Tibet Teppiche anwendet.
Mythos Nr. 1 - Tibet Teppiche werden aus Wolle von tibetischen Hochlandschafen gemacht
In fast allen Publikationen und auf den meisten Internet Seiten finden Sie die Behauptung, dass Tibet Teppiche aus Wolle gemacht werden, die aus Tibet kommt. Und dann wird weiter in blumigen Worten erklärt, dass es wegen der großen Höhe des tibetischen Hochlandes die beste Wolle der Welt ist. Und dass die überragende Qualität daher kommt, dass sich die lieben Schäfchen so eine tolle Wolle zulegen mussten um sich gegen das raue Klima zu schützen.
Hört sich wirklich toll an. Ist aber Unfug, Klamauk aus der Mottenkiste der Geschichte. Heute wird der weitaus größte Teil der Tibet Teppiche in Nepal, und an zweiter Stelle in Indien produziert. Die Wolle der Tibet Teppiche, die in Nepal gemacht werden, kommt heute überwiegend aus Neuseeland. Die Neuseeland Wolle ist exzellent. Es gibt damit kein Problem. Keine Sorgen!
Oft wird heute für die Nepal Teppiche auch eine Mischung aus ein klein wenig Tibet Wolle und einem großen Rest aus Neuseeland Wolle verwendet.
Der Import von Wolle aus Tibet, heute leider ein Teil Chinas, ist beschränkt - aus politischen Gründen, aus Gründen der Kapazitäten (Tibet könnte die Mengen heute in der erforderlichen Qualität gar nicht liefern) und aus Gründen des Fehlens kostengünstiger und leistungsfähiger Transportwege zwischen Tibet und Nepal. Deswegen sind die Kosten für tibetische Wolle so exorbitant im Vergleich zu der aus Neuseeland importierten Wolle. Und diese Mehrkosten rechtfertigen nicht die minimalen Qualitätsunterschiede.
Mythos Nr. 2 - Tibet Teppiche werden von tibetischen Flüchtlingen geknüpft
Es stimmt einfach nicht. Heute wird die meiste Arbeit in den Teppich Werkstätten in Nepal von Nepali erledigt. Die einfachen Strukturen der modernen, von westlichen Designers entworfenen Muster erlauben es, ungelernte Knüpferinnen und Knüpfer einzusetzen.
Mythos Nr. 3 - Je mehr Knoten desto besser
Tibet Teppiche werden im allgemeinen in 3 (oder mehr) Knüpfdichten gefertigt - 60, 80 oder 100 Knoten pro Quadrat Inch. Der Unterschied ergibt such aus der Dicke des Fadens. Benutzt man einen dickeren Faden für 60 oder 80 Knoten pro Quadrat Inch, erhält man einen dickeren Flor. Für ein eher feineres Muster muss man einen dünnen Faden nehmen (100 Knoten oder höher). Aber daraus resultiert dann auch ein dünnerer Flor.
Je höher die Knüpfdichte, desto länger dauert es auch um einen Quadratmeter Teppich zu knüpfen. Deswegen sind bei höherer Knüpfdichte auch die Kosten etwas höher.
Mythus Nr. 4 - Schuss und Kette aus Wolle ist besser als aus Baumwolle
Das ist schlichtweg Unfug. Die Tibeter haben schon zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts damit begonnen, die Verwendung von Wolle für den Schuss und die Kette durch Baumnwollfäden zu ersetzen. Diese kam aus Indien. Baumwollfäden sind viel widerstandsfähiger.
Mythos Nr. 5 - Von Hand versponnene Wolle ist besser als von Maschinen versponnene Wolle
Als ich das letzte mal in Kathmandu war, hatte ich die Gelegenheit zwei Tibet Teppiche, die vor mir Seite an Seite lagen, zu vergleichen. Der eine war aus von Hand versponnener Wolle, der andere aus Maschinen versponnener Wolle gemacht. Mein nepalesischer Freund, seit 30 Jahren Teppich Produzent, wollte mir den Unterschied deutlich machen. Und er hatte recht. Wenn man mit der Hand über den mit Maschinen versponnener Wolle gefertigten Teppich fuhr, hatte man ein weiches Gefühl. Umgekehrt fühlte sich der Teppich mit der von Hand versponnenen Wolle rau und borstig an. Der Unterschied war deutlich.
Die Herstellungskosten sind für beide Verfahren in etwa gleich. Natürlich, gibt von Hand versponnene Wolle mehr Leuten vor Ort ein Einkommen. Aber der Unterschied in der Qualität ist halt eindeutig. Und er ist genau anders herum als man es immer liest.
Mythos Nr. 6 - Pflanzenfarben sind besser als synthetische Farben
Pflanzenfarben werden aus Mineralien und - wie der Name schon so schön sagt - aus Pflanzen gewonnen. Vor der Erfindung der ersten chemischen Farbe im Jahr 1856 durch William Henry Perkin konnten Textilien nur aus den Stoffen gefärbt werden, die die Natur her gab. Der Nachteil dieser Pflanzenfarben sind die begrenzten Farben und die Tatsache, dass diese im Licht auf Dauer ausbleichen.
Chemisch gefärbte Farben sind (sofern nicht qualitativer Schrott) lichtbeständig und erlauben ein weites Farbspektrum. Die Tibeter verwenden die chemischen Farben seit dem späten 19. Jahrhundert.
Weder sind Pflanzenfarben noch sind die synthetischen Farben besser. Sind sind lediglich unterschiedlich. Um einen Eindruck zu bekommen wie pflanzengefärbte Tibet Teppiche wirklich aussehen, sehen Sie sich doch eine Dia Show mit ungefähr 50 historischen Bildern von pflanzengefärbten Tibet Teppichen aus den frühen achtziger Jahren an.
Mythos Nr. 7 - Tibet Teppiche bekommen im Laufe der Jahre einen besonderen Glanz und Schimmer
Sie können das immer wieder auf Web Seiten oder in Katalogen lesen. "Wegen des Lanolin in der Wollfaser bekommt der Teppich im Laufe der Jahre einen immer schöneren, sanften Glanz." Ich lebe seit über 30 Jahren mit allen Arten von Tibet Teppichen. In der Zwischenzeit ist mein Gehör etwas schlechter geworden, aber meine Augen sind noch ganz in Ordnung. Diese Behauptung mit dem zunehmenden Glanz nach Jahren gehört in die Kategorie der Fiktion.
Wahrscheinlich hat irgend ein schlaues Kerlchen mit dem Unsinn irgendwann mal angefangen. Und dann haben es zwei Generationen von Teppich Händlern mit Begeisterung nach geplappert.
Meiner Erfahrung nach sind die pflanzengefärbten Teppich im Laufe der Jahre in den Farben etwas matt geworden. Die synthetisch gefärbten sind das geblieben was sie waren. Und keiner hat im Laufe der Jahre angefangen irgendwie zu glänzen, schimmern oder scheinen.
Mythos Nr. 8 - Tibet Teppiche kann man nach Provenienz einteilen
Persische Teppiche, um ein Beispiel zu nehmen, werden nach den Küpfzentren benannt aus denen sie kommen. Jedes hatte seine besonderen Muster und Eigenheiten. Deswegen benutzt man bei Perser Teppichen Namen wie Tabriz, Kashan oder Kerman.
Viele der großen Teppich Verkaufsketten geben Ihren Tibet Teppich "Kollektionen" Fantasienamen um eine besondere "Provenienz" vorzugaukeln. Dies ist nichts anderes als ein Verkaufstrick.
In Tibet hat es niemals besondere Designs oder sonstige Charakteristiken in der Teppich Herstellung gegeben, die man einer bestimmten Region oder Stadt hätte zuordnen können. Wenn Sie also etwas lesen wie "Tibet Quandavishnu" oder "Nepal Buktapari" werden Sie mit Fantasienamen verarscht, die auf dem Schreibtisch irgend eines Marketing Idioten entstanden sind.
Mythos Nr. 9 - Größen und Muster von Tibet Teppichen
Das Wort Mythos ist für dieses Phänomen vielleicht nicht das richtige. Aber ich bin überzeugt, dass die meisten Käufer eines Tibet Teppichs keine Ahnung haben, dass sowohl große Teppiche (wie zum Beispiel 2 mal 3 Meter) genauso wie moderne Muster eine Erfindung westlicher Designer und nepalesischer und tibetischer Geschäftsleute nach 1980 sind. Die Tibeter in Tibet haben früher kaum jemals einen Teppich größer als 90 mal 180 cm gefertigt.
Es gab einige wenige Ausnahmen in Klöstern und für den hochrangigen Adel. Aber das war wirklich eine winzige Ausnahme. In den früheren Privaträumen des 14th Dalai Lama im Potala Palast kann man beispielsweise auch einige größere Teppiche sehen.
Das Gros der tibetischen Teppiche war nicht dazu bestimmt, darauf mit Füssen zu laufen oder den Couch Tisch darauf zu stellen. Tibet Teppiche wurden als Bett oder als Sitzgelegenheit benutzt. Einige wurden auch als Säulenteppiche um die Säulen von Klöstern gewickelt. Ein weiteres Einsatzgebiet waren die Sattelteppiche um den Rücken der Pferde und den Allerwertesten des Reiters zu schonen.
Die heutigen Muster der Tibet Teppiche sind völlig anders. Ursprüngliche tibetische Muster waren sehr aufwendig, reich an Bildern und "wild" - mit Drachen, Löwen, Tigern, Vögeln, und Glück verheissenden buddhistischen Symbolen. Was Sie heute üblicherweise im Internet als Tibet Teppiche präsentiert bekommen, hat mit den ursprünglichen Tibet Teppichen eigentlich nur noch die Knüpftechnik gemeinsam.
Trotzdem kann es sich um einen hübschen, hochwertigen Teppich handeln. Und wenn es sich um Qualität handelt und den Leuten, die ihn gemacht haben, ein Einkommen verschafft, dann finde ich das voll OK. Kaufen Sie das moderne Stück mit modernem Muster in 2 mal 3 Meter wenn es Ihnen gefällt.
Was artelino betrifft, wir bieten Ihnen nur traditionelle Tibet Teppiche in traditionellen Mustern und in Größen von circa 90 mal 180 cm an.
Dieter Wanczura, Oktober 2010.